Holebänz

Laudatio Beppi von Matt
Maria Generosa Christen-Odermatt und ihr Buch

« Mier ä Holebänz »! Dieser kindliche Jauchzer galt dem Kräpfli, das damals ein höchst begehrenswerter Leckerbissen war, weil man es hier nicht bekommt und der Brotteig leicht gesüßt ist. Wenn der Landamman inmitten der Wallfah­rer, in der Gnadenkapelle in Einsiedeln voll konzentrier­ter Frömmigkeit, für das Wohl seines Kantons Nidwal­den erfolgversprechend gebetet hatte und am Spät­nachmittag mit der grünen Stansstad-Engelbergbahn auf dem Stanser-Bahnhof einfuhr, schrien die Kinder: „Mier ä Holebänz” und bekamen ihn zugeworfen. Sie waren freudig erregt, die Mütter wohlig echauffiert und der Landammann hatte etwas für seine nächste Wahl getan. Im Land herrschte ein Glücksgefühl. Und wir wissen jetzt was es heißt: „Mier ä Holebänz” !

Seine Omnipotenz Reichsschultheiss Hans Reinhard
Seine Eminenz Reichsschatzmeister René Engelberger
Seine Excellenz und Evidenz Reichs-Cantzler, Reichsarchivar und Chronist Dr. Hansjakob Achermann
Seine Durchlaucht Pannerherr Roland Wyrsch
Edle und tapfere Reichsritter
Ihre Magnificentia Reichsschultheissin Jolanda Reinhard
Wohledle und wunderhübsche Reichsfrauen

Geehrte Gäste


und mit ebensoviel Ehrfurcht darf ich voll Begeisterung sagen:


Verehrte Autorin Frau Maria Generosa Christen­Odermatt, Geni, Rosli, Maria, Meisi
deren Grosssohn Urs Beutler
regissierenden und schaupielenden Tochter Regina mit ihrem dazugeknöpften, einfühlsamen Herausgeber, Rechtschreiber und PR-Buchgestalter Alexander Schwab.


Geneigte Zuhörer !


Nun habe ich das Vergnügen, vor Euch, dieser erlauchten Schar besonders wacher und aufmerksamer Zuhörer, von einem Buch zu sprechen, das ich voll Begeisterung und in großer Euphorie in einem Zug gelesen habe. Seither nehme ich es immer wieder in die Hand um teils wahllos, oft aber auch gezielt bestimmte Stellen heraus zu suchen. Das ist ein exquisites Vergnügen. Nicht nur das bunt dargestellte Thema interessiert mich. Gar oft lechze ich auch danach, mich an der lustvoll­hingestreuten Sprache zu ergötzen. Die Autorin zeichnet exakte, farbenfrohe Bilder vor das geistige Auge. Die Darstellungen sind so präzise, dass sie in ihrer Treffsicherheit an den berühmten Basler Maler und Plakatge­stalter Niklaus Stoecklin erinnern.


Auf dem Schutzumschlag des Buches sieht man ein Schulermädchen in griechisch-klassischer Haltung. Mit dem linken Standbein steht sie fest auf der Erde. Das rechte Spielbein ist leicht angewinkelt, gleich wie der Arm. Das Gesicht blickt gerade aus. Die Augen sehen zum Betrachter hin, ohne jeden Selbstzweifel und fal­sche Zurückhaltung. Die Graphikerin ist dem Buch und seiner Autorin mit der vielgepriesenen weiblichen Intui­tion nahe gekommen.


Versuchen wir das jugendliche Umfeld der Autorin zu verstehen. – Ihr Vater „Seppel Odermatt” war der weitberühmte Antiquar der Buchhandlung von Matt, der ohne zu zögern, inmitten von über hunderttausend Bü­chern, sagen konnte: „Ja dieses Buch hatten wir 1923 einmal an Lager, aber nur in der zweiten Auflage, die dritte wäre die bessere gewesen, weil sie sorgsam überarbeitet war.” (Diesen Satz habe ich 1951 selber erlebt.) Der Vater der Autorin war kein Luftibus, denn er trat mit 18 Jahren ins Antiquariat ein und hat es erst mit 91 wieder verlassen. Ihre Mutter haben die meisten von Euch als Radioerzählerin, als Sageninterpretin und als politisch emotionelle und sehr engagierte Dame im Dorf Stans, gewiß noch erlebt. Marie Odermatt-Lussi, also M O L, die ich sehr verehrte, habe ich gerne so genannt, weil sie „Mol” hieß und so unerhört „ Dur” lebte. Der ältere Bruder, der Autorin, unser Senior des Unüber­windlichen Großen Rates, alt Schultheiss Dr. Jörg Odermatt, ist nicht nur ein großer Hubertusjünger, sondern auch ein Ur-Fasnächtler und hat mit ansteckender Begeisterung die Guggenmusik in Stans gegründet. Die ältere Schwester Elsbeth hatte, (wie ich im Buch las), daheim „das Sagen”, heiratete den Kantonsingenieur Häusermann und zog mit ihm nach Samedan, wo sie heute lebt.


Die Autorin wuchs in Stans der zwanziger und dreißiger Jahre auf und beobachtete Ihre Umgebung stets mit wachen und aufmerksamen Augen. Wie ich aus Fotos von Leonard von Matt in der hellblauen Illustrierten „Sie und Er” weiß, war sie ein wunderschönes Mädchen und wurde von Ihrer Mutter gerne, nicht ganz zur eigenen Freude, angehalten im unüberwindlichen Großen Rat muntere Gedichte aufzusagen. Wenn ich heute im Dorf von diesem Buch erzähle, nehmen die meisten hin, dass neben dem hiesigen Namen Christen auch der Name Odermatt steht. Wenn ich aber sage: “Du hast doch gewiß das Meisi gekannt”, dann leuchten die Augen auf, und Erinnerungen von damals sprudeln ins Gespräch. Meisi ist jener Begriff, der an das glatte, aufgestellte, sehr selbständig denkende Meitschi erinnert, mit der man, je nach Notwendigkeit, hätte Pferde stehlen können. Dann kam jener ruhige, alles wohlüberlegende, liebenswürdige Oltener Peter Christen, der das originelle und spontan-reagierende Mädchen in die Arme nahm und 1945 nach Basel entführte. Sie lebten in einem eleganten Haus, hoch über dem Rhein. Als ihre beiden Töchter Christine und Regina von daheim wegzogen begann Frau Generosa zu malen und hatte mit ihren Bildern, denen sie auf der Rückseite stets einen originellen Text beigab, auch an Ausstellungen, großen Erfolg. Später zogen sie in ein Dorf im Jura. Als ihr Mann Peter krank wurde, begann sie zu schreiben, ohne an eine Veröffentlichung zu denken.


Nun zum Buch


Maria Generosa Christen erzählt im ersten Teil ihres Buches von Familien und deren Umgebung, die Ende des letzten und zu Beginn des zwanzigsten Jahr­hunderts unser Dorf zwischen Schmiedgasse, Kniri und Niederdorf bevölkerten. Dass auch ein Löwenjäger in Afrika und ein Schlittschuhkönig in Lake Placid eine glitzernde Rolle spielen, sei nur ergänzend erwähnt.


Gewiß, man muß sich etwas hineinlesen, bis man alle Josefs und Marie’s auseinander halten kann. Damals hießen die angehenden Machos halt noch nicht Kevin oder Jascha und die aufblühenden Töchterlein Afra oder Esperanza, trotzdem die Mütter samt Klosterfrauen, schon damals gerne die Hoffnung hegten, dass diese Töchterlein zur rechten Zeit und vom richtigen Objekt ihrer Wünsche in die Hoffnung kommen sollten.


Es sind nicht nur die bestimmten Personen, die das Buch so wertvoll machen, sondern die Allgemeingültig­keit, die hinter dem Beschriebenen steht. Die Späße und Kümmernisse, die Liebessehnsüchte und der Weltschmerz gehören zum Leben und zu jener Zeit. Das Wohlmeinen und die Mißgunst, das Verstehen und die Klatschsucht, das Neinsagen und die tröstende Mutter sind klassische Gestalten. Die Ausdruckskraft der Sprache und die Lebendigkeit der Geschichte heben das Buch aus der Vielfalt der heutigen literarischen Neuerscheinungen heraus.


Die bunten Ausdrucksweisen, die fremdländischen Pointen und jene Bezeichnungen, die teilweise vom Dialekt jener Zeit herkommen, machen die Sprachbilder farbenfroh und originell. Viele dieser Ausdrücke, wie zum Beispiel „rederle”, sind nur im Zusammenhang be­greifbar. Ein Lesezeichen als Beiblatt im Buch mit der Übersetzung besonderer Spezialwörter würde jüngeren Leuten das Verstehen erleichtern. Die Autorin entfernte sich nach dem Krieg aus unserer Gegend und hat, wie Auswanderer, ihre einstige Sprache bewahrt. Ihr sind viele Wortkombinationen, die leider verschwunden sind, noch ganz selbstverständlich. Die eingestreuten Fotos sind wertvoll, weil sie die dargestellte Zeit in Kleidern, Gesichtsausdruck und Arrangement der Figuren besonders charakterisieren. Man genierte sich damals nicht „sich hinzustellen”, der Gele­genheit entsprechend ein besonderes Kleid oder einen wirkungsvollen Hut anzuziehen und ein würdiges Ge­sicht zu schneiden. Wenn ich vorhin sagte, dass ich mich öfters, auch wegen der griffigen Sprache zu diesem prächtigen Buch hinwende, dann möchte ich Euch ein kleines Muster vortragen: Ich zitiere: „Ab und zu kommt Philomenas Schwester Adel­heid auf Visite in die Schmiedgasse. Sie hat ein immenses „Savoir vivre” und verdient ihre Brötchen als Erzieherin bei den „Geborenen” in Luzern, bei denjenigen, die nicht reich, aber schrecklich vornehm sind… Der Volksmund nennt sie „Zuckerwassergesellschaft”, weil sie bei ihren Treffs sich mit eben wohlfeilem Zuckerwasser regalieren”.


„Auf Visite”, „immenses Savoir vivre”, „Brötchen verdienen”, und die „Geborenen”, „regalieren” braucht kaum Erklärung, zeigt aber wie die Sprache genau auf den Punkt gebracht exakt zeichnet. Oder ein Beispiel zum Junggesellen Seppel Odermatt und Kumpanen: Zitat: „Zusammen mit seinen Freunden, hat er gerne die Nase im Wind. Sie sind im Männerchor dabei, im Kirchenchor, bei der Theatergesellschaft, im Volksverein. Eine tolle Bande sind sie, fröhlich, trinkfest und meistens mit dem nötigen Kleingeld versehen. Die Jeunesse dorée des Dorfes”. Zitat Ende.


Wir Unbegabten hätten vielleicht geschrieben: Sie waren eine fröhliche Gesellschaft und in den üblichen Vereinen. – Sie zählt diese namentlich auf und schreibt: „Eine tolle Bande sind sie, fröhlich und trinkfest”. Sie schreibt nicht, sie waren unternehmungslustig und dem Neuen zugetan, sie sagt „Sie hatten die Nase im Wind” und setzt den i- Punkt noch drauf. Die „Jeunesse dorée des Dorfes”. Darf ich noch ein weiteres kurzes Beispiel an Farbigkeit anführen. Hier geht es um die eigene Familie der Autorin. Zitat: „Während Elsbeth sich zur exzellenten Pianistin mausert, Marie (die Mutter) als Sängerin Erfolg und einen Namen hat, gehört lb. Josef mit seinem dunklen Baß schon lange zur Crème im Männerchor. Daneben spielt er, wenn er gerade guter Laune ist, wie ein Pan auf der Okarina, einer Schnabelflöte, die kaum um jede Ecke zu hören ist”. Zitat Ende.


Von Elsbeth schreibt sie: „Zur exzellenten Pianistin gemausert”, Marie „hat einen Namen” und „lb. Josef, der zur Crème gehört charakterisiert sie: „Wenn er gerade guter Laune ist”. Wir beachten, er zeigte die gute Laune scheinbar nicht zu freigebig. Es heißt nicht, er spielte sehr gut, nein, es heißt, um den Eindruck noch zu überhöhen: „wie ein Pan”. Die Schnabelflöte ist bei ihr nicht etwa selten, sondern „kaum um jede Ecke zu hören”.


Solche Beispiele finden sich auf jeder Seite zuhauf. Man muß sie nicht suchen, sie fallen einem wie leuchtende Sternschnuppen zu. Diese ausdruckstarke, mit Bildern breit durchsetzte Sprache macht das Buch zum Genuß, wann und wo man es auch aufschlägt. – Und wenn man nichts wüßte vom Inhalt! Die poetische und vielseitige Schreibweise allein schon ist ein seltenes, überraschend wohltuendes Kunstwerk.


Im zweiten Teil steht das Brauchtum und die damalige, breitgefächerte Lebensart im Mittelpunkt. Glücklicherweise wird darüber aber nicht wissenschaft­lich theoretisiert, sondern in der beschriebenen Manier, an bunten Bildern lebendiger Menschen fröhlich erzählt. Wenn ich einige Titel dieses zweiten Teils vorlese, merkt man sofort, dass Ihre lebhafte Sprachgewandtheit die Lektüre quirlig und spannend macht.


Einige Titel:


Frau Schuelrads glückliche Hühner
Die löbliche Bruderschaft der Milchholer
Schlittle, schilfere und e Leffel Fischtran
Masken und andere Bälle, schmucke Leutnants und strenge Väter
Dr Osterhas, dr Gugger und mier ä Holebänz


Dies sind 5 Beispiele von 19 Titeln im zweiten Teil. Trotzdem ich nicht zu lange werden darf, lese ich, zu eurem Genuß, noch einen Doppelsatz aus dem Kapitel Samichlais z Ehre vor. Ich zitiere: „Vor dem Zubettgehen werden die Teller für die Schleickete auf dem Stubentisch parat gemacht, der „fromme” Chnebel und ein Chibili mit Salz für den Samichlaisesel werden vor die Haustüre gelegt. Dann schläft man mit einem Chriesimändel an den Füßen glücklich ein, und im Traum winkt der Samichlais – mit weiß behandschuhter Hand”. Ende Zitat. In der mir bekannten Literatur existiert wenig Erzähltes, das – im Umfeld verständlich,- und mit so viel Lebensnähe, Liebe zum Detail und ganz präziser Sprache dargestellt wird.


Das Brauchtum wird an natürlich handelnden Menschen vermittelt, aber auch wie man wohnt und sich tut, wie man nach seiner Weltanschauung lebt und sich arrangiert, was man ißt und trinkt, wo in Küche, Stube oder bei der Wallfahrt gespart werden kann, in welchen Zimmern die Demut lebt und in welchen Gewändern die Hofart daheim ist.


Die Landschaft, in die man geboren ist, kann man nicht auswählen. Wie man sich aber darin bewegt, sie sieht und was man daraus macht, ist einem fast ganz allein anheimgestellt.


Zum Schluß darf ich voll Bewunderung einfach sagen: Wer `s kann, der kann’s!


Danke!


Beppi von Matt

Die Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt antwortet

 

Edli Riichsfraie, tapferi Riichsritter, liebe Beppi,

 

dies Eloge, ai wend dui hienta dr Chelle ä chli volle gnu hesch, isch mier inegloffe wie Nidle. Ich danke dier und ich danke im UGR fir d’ Iladig. Ich bi gärä cho, denn d’ Residänz isch halt ebbis Bsun­derigs, da gspird me so gherig dr Duft der grossen weiten Welt, hie isch immer ebbis los, da wird gred, gmacht und ta, luit und churzwilig.

 

Im Verglich isch mis Dorf nur äs chlis Dorf. Und zu dr Chlini ane , isch äs ai nu im Leimetal, und so isch halt alles e chli lättig. Äs hed scheene Wald, scheen Matte, prächtigi Burge und Burgruine, aber edli Riichsfraie, wackeri Ritter, wo zu dene Burge passid, sind niene ume. So gids ai kei chline und kei Grosse Rat, was äs aber bi iis gid, das sind grossi Chriesi, grossi, saftigi Chriesi … Und ich glaibe, im einte oder andere vo Iich laift, wen är a die Chriesi dänkt, bimeich scho dr Speiz im Muil zäme.

 

Mier dankid Iich fir Iiwi Gastfrindschaft, fr das recht opulenti Mählti, und ich sälber danke mit Träne i de Auge fir de prächtig Orde. Dä Orde isch fir ä Frai i mim Alter i jeder Beziehig ä gherigi Wohltat… Är isch zwar e chli schwäre, aber under mim Hofstaat heds zum Glick währschafti Manne, wo nid so verhungered uisgsend, als dass sie dä Orde nid mechdid gferge.

 

Bi mier dr heime chund är de ä Ehreplatz uber, und jedesmal, wen ich de das megig, blutt Biebli ahlue­ge, chan ich de we dr Dr. Robi selig säge „Honi soit qui mal y pense, kommt er doch vom frommen Stans . .” „Äs isch vil Lob und Ehr wo me da uber mich uisschittet, und me chent derbie schier e chli ä Meinig ubercho . . .”  Und will me weiss, dass ai imene alte Huehn nu cha dr Kamme afe wachse, han ich dänkt, ich lege gschider ä Huet a, me gsehts de nid eso guet wen är wachst…

 

Äs isch äs wunderbars und herrlichs Fescht. Und ganz i dr Tradition vos Schuelrad Odermatte lend mier das Fest nid la verruische ohni das mier Iich äs Stickli vorfierid. Ier miend kei Angst ha, äs gid keis Gedieht, drfir gits ebbis z’lose, „wo kaum um jede Ecke zu hören ist”. Dr Urs, dr Uiruiränkel vom Sattlersepp, – krauses Haar, krauser Sinn, – spild Iich etz ebbis uf lb. Josefs legendärer Okarina.

Übergabe des Ehrenpreises an Maria Generosa Christen – Odermatt


Sehr geschätzte Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt
liebe Familie der Preisträgerin, besonders Reichssenior und alt Reichschultheiss Dr. Jörg Odermatt,
Tapfere Reichsritter
erhabene Magnifizentia
Frau Reichschultheissin Wohledele und tugendhafte Reichsfrauen
Hochwohllöbliche Fraumünsterfrauen
würdevoller und weiser  Ex Arch.in. Oberrheinischen Landen

Liebe Gäste

Ich begrüsse Euch ganz herzlich und gebe meiner grossen Freude über den überwältigenden Besuch der heutigen Laetare-Feier Ausdruck. In meiner Doppelfunktion als Reichsschultheiss und Mitglied des Stiftungsrates Ehrenpreis fällt mir jetzt die hohe Ehre zu, die Preis­verleihung vorzunehmen. Es ist mir unvergesslich, wie ich als Bub immer eine besondere Freude hatte, im Radio Beromünster Marie Odermatt-Lussi’s warme, gemütvolle Stimme, im unver­wechselbaren heimeligen Nidwaldner Dialekt, zu hören. Ihre herrli­chen „Gschichtli” und Erzählungen sind in mir bis heute lebendig geblieben
Und jetzt – wer hätte das je gedacht – darf ich ihrer berühmten Tochter Maria Generosa, oder einfacher, Stanserisch augedrückt: „iises Meisi”, ehren. Bei der Lektüre des Buches „Mier ä Holebänz” (ich habe es mit Begeisterung in einem Zug durchgelesen) ist mir der Witz, der Humor und die heitere Ironie aufgefallen, die das ganze Buch prägen.

Ich zitiere aus einer Stelle, wo die Familie einmal mehr gezügelt hatte. Margrit Wyrsch, die Schwester von alt Reichschultheiss Prof. Dr, Jakob Wyrsch gab in einer Soiree des unüberwindlichen Grossen Rates das Bonmot ihres Lebens zum besten: „S’ Seppel Odermatten schauen jedes Jahr zu einem andem Fenster uisen….”

In diesem Zusammenhang ist mir als Architekt aufgefallen, mit wieviel
Einfühlungs- und Darstellungsvermögen die Preisträgerin es verstanden hat, die wechselnden Wohnstätten ihrer Familie zu beschreiben. Das „Ämmättli” von Schuelrads zum Beispiel kann man doch so richtig empfinden, wie wenn man selbst dort gelebt hätte. Die schöne grosse Stube mit dem eleganten Buffet samt Giessfassteil, der wärmespen­dende grüne Kachelofen; ein Raum der gewiss heimelige Geborgenheit ausgestrahlt haben muss. Oder der Garten mit dem Kiesplatz, wo unter einem weitausladenden Kastanienbaum ehrwürdige, wacklige Gartenstühle standen, und wo Frau Schuelrads glückliche Hühner herumspaziert sind.

Die sogenannte Alltagsgeschichte hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zur „normalen Geschichte”, wo vergangene Epochen von Wissenschaftern aufgearbeitet und interpretiert werden, was ja immer einwenig „Dichtung und Wahrheit” ist, geht es bei der Alltagsgeschichte um präzise Beobachtung und Dokumentation ganz alltäglicher, scheinbar belangloser Dinge, Zustände und Verhaltensweisen. Frau Christens Erinnerungsbuch ist ein sehr wertvoller Beitrag zur Alltagsgeschichte von Stans und Nidwalden. Dazu gratuliere ich der Preisträgerin ganz herzlich, besonders auch als Präsident der Kommission für Kultur und Denkmalpflege unseres Kantons.

Sie haben damit die höchste Ehrung verdient, die einem Literaten zuteil werden kann. Nicht etwa einen unbedeutenden Schillerpreis, einen banalen Hans Reinhardt-Ring oder einen kaum erwähnenswerten Nobelpreis für Literatur, nein, den unvergleichlichen, unermesslichen und nur wenigen Auserwählten zugestanden

Ehrenpreis des Unüberwindlichen Grossen Rates.

Ich bitte Sie, zu mir zu kommen, um in den Kreis der Unsterblichen einzutreten !

Gegeben in der Reichshauptstadt am 13. März 1999

HANS REINHARD, REICHSSCHULTHEISS

Beppi von Matts humorvolle Laudatio ehrte treffend die Autorin und ihr Werk.

Die Autorin und ihr Bruder, der “famose Jörg” aus dem Holebänz.

Die Autorin verdankt den Ehrenpreis.

gesicht_gruen

Der Bund,
17. Juli 1999

Zeitlupe,
Sep. 1999

Weitere
Stimmen

“Mit einer klaren Sprache versteht es Maria Generosa Christen, die Leser direkt in ihr Dorf- und Familienleben zu führen … Sie charakterisiert sie so treffend, dass man schon bald das Gefühl bekommt, sie genau zu kennen.”
Basler Zeitung, 24.03.2001

“Sie erzählt vom Leben in Nidwalden von 1900 bis 1925 und findet dabei eine Sprache von eigentümlicher Kraft … Gerüche steigen auf und vor den Augen entstehen Bilder vom sinnlichen Pomp des katholischen Lebens auf dem Lande.”
www.seniorweb.ch / 08.07.1999

“…eine autobiographische Liebeserklärung an ihr Heimatdorf Stans…Mehr als eine Autobiographie.”
Schweizer Illustrierte / Nr. 19 10. Mai 1999

“Maria Christen-Odermatt gelang es, ihre Erinnerungen in einer liebevollen und zugleich humorvollen Art wiederzugeben. Ihre stimmungsvollen Berichte über das Leben und die Bräuche in Stans im ersten Viertel dieses Jahrhunderts sind witzig und voller Respekt gegenüber dieser vergangenen Zeit, aber trotzdem auch voller Selbstironie und manchmal gar leicht spöttisch.”
Basellandschaftliche Zeitung / 2. Dez. 2002

Die Verwandschaftsverhältnisse im Holebänz scheinen auf den ersten Blick kompliziert, weil viele verschiedene Maries und Seppls vorkommen. Auf den zweiten Blick und mit Hilfe dieser Darstellung ist das aber kein Problem. Falls dennoch eine Unklarheit über die Personen im Holebänz besteht, nehmen Sie einfach Kontakt mit dem Webmaster auf.

Einfach auf das Download-Icon klicken und das PDF mit den Nidwaldner Ausdrücken startet auf. Falls Sie Fragen zu diesem Verzeichnis oder zu einzelnen Worten haben, kontaktieren Sie einfach den Webmaster. Die Frau im Bild ist Frau Schuelrad.

Laudatio

Maria Generosa Christen-Odermatt und ihr Buch

Mier ä Holebänz !

Dieser kindliche Jauchzer galt dem Kräpfli, das damals ein höchst begehrenswerter Leckerbissen war, weil man es hier nicht bekommt und der Brotteig leicht gesüßt ist. Wenn der Landamman inmitten der Wallfah­rer, in der Gnadenkapelle in Einsiedeln voll konzentrier­ter Frömmigkeit, für das Wohl seines Kantons Nidwal­den erfolgversprechend gebetet hatte und am Spät­nachmittag mit der grünen Stansstad-Engelbergbahn auf dem Stanser-Bahnhof einfuhr, schrien die Kinder: „Mier ä Holebänz” und bekamen ihn zugeworfen. Sie waren freudig erregt, die Mütter wohlig echauffiert und der Landammann hatte etwas für seine nächste Wahl getan. Im Land herrschte ein Glücksgefühl. Und wir wissen jetzt was es heißt: „Mier ä Holebänz” !

Seine Omnipotenz Reichsschultheiss Hans Reinhard
Seine Eminenz Reichsschatzmeister René Engelberger
Seine Excellenz und Evidenz Reichs-Cantzler, Reichsarchivar und Chronist Dr. Hansjakob Achermann
Seine Durchlaucht Pannerherr Roland Wyrsch
Edle und tapfere Reichsritter
Ihre Magnificentia Reichsschultheissin Jolanda Reinhard
Wohledle und wunderhübsche Reichsfrauen

Geehrte Gäste

und mit ebensoviel Ehrfurcht darf ich voll Begeisterung sagen:

Verehrte Autorin Frau Maria Generosa Christen­Odermatt, Geni, Rosli, Maria, Meisi
deren Grosssohn Urs Beutler
regissierenden und schaupielenden Tochter Regina mit ihrem dazugeknöpften, einfühlsamen Herausgeber, Rechtschreiber und PR-Buchgestalter Alexander Schwab.

Geneigte Zuhörer !

Nun habe ich das Vergnügen, vor Euch, dieser erlauchten Schar besonders wacher und aufmerksamer Zuhörer, von einem Buch zu sprechen, das ich voll Begeisterung und in großer Euphorie in einem Zug gelesen habe. Seither nehme ich es immer wieder in die Hand um teils wahllos, oft aber auch gezielt bestimmte Stellen heraus zu suchen. Das ist ein exquisites Vergnügen. Nicht nur das bunt dargestellte Thema interessiert mich. Gar oft lechze ich auch danach, mich an der lustvoll­hingestreuten Sprache zu ergötzen. Die Autorin zeichnet exakte, farbenfrohe Bilder vor das geistige Auge. Die Darstellungen sind so präzise, dass sie in ihrer Treffsicherheit an den berühmten Basler Maler und Plakatge­stalter Niklaus Stoecklin erinnern.

Auf dem Schutzumschlag des Buches sieht man ein Schulermädchen in griechisch-klassischer Haltung. Mit dem linken Standbein steht sie fest auf der Erde. Das rechte Spielbein ist leicht angewinkelt, gleich wie der Arm. Das Gesicht blickt gerade aus. Die Augen sehen zum Betrachter hin, ohne jeden Selbstzweifel und fal­sche Zurückhaltung. Die Graphikerin ist dem Buch und seiner Autorin mit der vielgepriesenen weiblichen Intui­tion nahe gekommen.

Versuchen wir das jugendliche Umfeld der Autorin zu verstehen. – Ihr Vater „Seppel Odermatt” war der weitberühmte Antiquar der Buchhandlung von Matt, der ohne zu zögern, inmitten von über hunderttausend Bü­chern, sagen konnte: „Ja dieses Buch hatten wir 1923 einmal an Lager, aber nur in der zweiten Auflage, die dritte wäre die bessere gewesen, weil sie sorgsam überarbeitet war.” (Diesen Satz habe ich 1951 selber erlebt.) Der Vater der Autorin war kein Luftibus, denn er trat mit 18 Jahren ins Antiquariat ein und hat es erst mit 91 wieder verlassen. Ihre Mutter haben die meisten von Euch als Radioerzählerin, als Sageninterpretin und als politisch emotionelle und sehr engagierte Dame im Dorf Stans, gewiß noch erlebt. Marie Odermatt-Lussi, also M O L, die ich sehr verehrte, habe ich gerne so genannt, weil sie „Mol” hieß und so unerhört „ Dur” lebte. Der ältere Bruder, der Autorin, unser Senior des Unüber­windlichen Großen Rates, alt Schultheiss Dr. Jörg Odermatt, ist nicht nur ein großer Hubertusjünger, sondern auch ein Ur-Fasnächtler und hat mit ansteckender Begeisterung die Guggenmusik in Stans gegründet. Die ältere Schwester Elsbeth hatte, (wie ich im Buch las), daheim „das Sagen”, heiratete den Kantonsingenieur Häusermann und zog mit ihm nach Samedan, wo sie heute lebt.

Die Autorin wuchs in Stans der zwanziger und dreißiger Jahre auf und beobachtete Ihre Umgebung stets mit wachen und aufmerksamen Augen. Wie ich aus Fotos von Leonard von Matt in der hellblauen Illustrierten „Sie und Er” weiß, war sie ein wunderschönes Mädchen und wurde von Ihrer Mutter gerne, nicht ganz zur eigenen Freude, angehalten im unüberwindlichen Großen Rat muntere Gedichte aufzusagen. Wenn ich heute im Dorf von diesem Buch erzähle, nehmen die meisten hin, dass neben dem hiesigen Namen Christen auch der Name Odermatt steht. Wenn ich aber sage: “Du hast doch gewiß das Meisi gekannt”, dann leuchten die Augen auf, und Erinnerungen von damals sprudeln ins Gespräch. Meisi ist jener Begriff, der an das glatte, aufgestellte, sehr selbständig denkende Meitschi erinnert, mit der man, je nach Notwendigkeit, hätte Pferde stehlen können. Dann kam jener ruhige, alles wohlüberlegende, liebenswürdige Oltener Peter Christen, der das originelle und spontan-reagierende Mädchen in die Arme nahm und 1945 nach Basel entführte. Sie lebten in einem eleganten Haus, hoch über dem Rhein. Als ihre beiden Töchter Christine und Regina von daheim wegzogen begann Frau Generosa zu malen und hatte mit ihren Bildern, denen sie auf der Rückseite stets einen originellen Text beigab, auch an Ausstellungen, großen Erfolg. Später zogen sie in ein Dorf im Jura. Als ihr Mann Peter krank wurde, begann sie zu schreiben, ohne an eine Veröffentlichung zu denken.

Nun zum Buch

Maria Generosa Christen erzählt im ersten Teil ihres Buches von Familien und deren Umgebung, die Ende des letzten und zu Beginn des zwanzigsten Jahr­hunderts unser Dorf zwischen Schmiedgasse, Kniri und Niederdorf bevölkerten. Dass auch ein Löwenjäger in Afrika und ein Schlittschuhkönig in Lake Placid eine glitzernde Rolle spielen, sei nur ergänzend erwähnt.

Gewiß, man muß sich etwas hineinlesen, bis man alle Josefs und Marie’s auseinander halten kann. Damals hießen die angehenden Machos halt noch nicht Kevin oder Jascha und die aufblühenden Töchterlein Afra oder Esperanza, trotzdem die Mütter samt Klosterfrauen, schon damals gerne die Hoffnung hegten, dass diese Töchterlein zur rechten Zeit und vom richtigen Objekt ihrer Wünsche in die Hoffnung kommen sollten.

Es sind nicht nur die bestimmten Personen, die das Buch so wertvoll machen, sondern die Allgemeingültig­keit, die hinter dem Beschriebenen steht. Die Späße und Kümmernisse, die Liebessehnsüchte und der Weltschmerz gehören zum Leben und zu jener Zeit. Das Wohlmeinen und die Mißgunst, das Verstehen und die Klatschsucht, das Neinsagen und die tröstende Mutter sind klassische Gestalten. Die Ausdruckskraft der Sprache und die Lebendigkeit der Geschichte heben das Buch aus der Vielfalt der heutigen literarischen Neuerscheinungen heraus.

Die bunten Ausdrucksweisen, die fremdländischen Pointen und jene Bezeichnungen, die teilweise vom Dialekt jener Zeit herkommen, machen die Sprachbilder farbenfroh und originell. Viele dieser Ausdrücke, wie zum Beispiel „rederle”, sind nur im Zusammenhang be­greifbar. Ein Lesezeichen als Beiblatt im Buch mit der Übersetzung besonderer Spezialwörter würde jüngeren Leuten das Verstehen erleichtern. Die Autorin entfernte sich nach dem Krieg aus unserer Gegend und hat, wie Auswanderer, ihre einstige Sprache bewahrt. Ihr sind viele Wortkombinationen, die leider verschwunden sind, noch ganz selbstverständlich. Die eingestreuten Fotos sind wertvoll, weil sie die dargestellte Zeit in Kleidern, Gesichtsausdruck und Arrangement der Figuren besonders charakterisieren. Man genierte sich damals nicht „sich hinzustellen”, der Gele­genheit entsprechend ein besonderes Kleid oder einen wirkungsvollen Hut anzuziehen und ein würdiges Ge­sicht zu schneiden. Wenn ich vorhin sagte, dass ich mich öfters, auch wegen der griffigen Sprache zu diesem prächtigen Buch hinwende, dann möchte ich Euch ein kleines Muster vortragen:  Ich zitiere: „Ab und zu kommt Philomenas Schwester Adel­heid auf Visite in die Schmiedgasse. Sie hat ein immenses „Savoir vivre” und verdient ihre Brötchen als Erzieherin bei den „Geborenen” in Luzern, bei denjenigen, die nicht reich, aber schrecklich vornehm sind… Der Volksmund nennt sie „Zuckerwassergesellschaft”, weil sie bei ihren Treffs sich mit eben wohlfeilem Zuckerwasser regalieren”.

„Auf Visite”, „immenses Savoir vivre”, „Brötchen verdienen”, und die „Geborenen”, „regalieren” braucht kaum Erklärung, zeigt aber wie die Sprache genau auf den Punkt gebracht exakt zeichnet. Oder ein Beispiel zum Junggesellen Seppel Odermatt und Kumpanen: Zitat: „Zusammen mit seinen Freunden, hat er gerne die Nase im Wind. Sie sind im Männerchor dabei, im Kirchenchor, bei der Theatergesellschaft, im Volksverein. Eine tolle Bande sind sie, fröhlich, trinkfest und meistens mit dem nötigen Kleingeld versehen. Die Jeunesse dorée des Dorfes”.   Zitat Ende.

Wir Unbegabten hätten vielleicht geschrieben: Sie waren eine fröhliche Gesellschaft und in den üblichen Vereinen. – Sie zählt diese namentlich auf und schreibt: „Eine tolle Bande sind sie, fröhlich und trinkfest”. Sie schreibt nicht, sie waren unternehmungslustig und dem Neuen zugetan, sie sagt „Sie hatten die Nase im Wind” und setzt den i- Punkt noch drauf. Die „Jeunesse dorée des Dorfes”. Darf ich noch ein weiteres kurzes Beispiel an Farbigkeit anführen. Hier geht es um die eigene Familie der Autorin. Zitat: „Während Elsbeth sich zur exzellenten Pianistin mausert, Marie (die Mutter) als Sängerin Erfolg und einen Namen hat, gehört lb. Josef mit seinem dunklen Baß schon lange zur Crème im Männerchor. Daneben spielt er, wenn er gerade guter Laune ist, wie ein Pan auf der Okarina, einer Schnabelflöte, die kaum um jede Ecke zu hören ist”. Zitat Ende.

Von Elsbeth schreibt sie: „Zur exzellenten Pianistin gemausert”, Marie „hat einen Namen” und „lb. Josef, der zur Crème gehört charakterisiert sie: „Wenn er gerade guter Laune ist”. Wir beachten, er zeigte die gute Laune scheinbar nicht zu freigebig. Es heißt nicht, er spielte sehr gut, nein, es heißt, um den Eindruck noch zu überhöhen: „wie ein Pan”. Die Schnabelflöte ist bei ihr nicht etwa selten, sondern „kaum um jede Ecke zu hören”.

Solche Beispiele finden sich auf jeder Seite zuhauf. Man muß sie nicht suchen, sie fallen einem wie leuchtende Sternschnuppen zu. Diese ausdruckstarke, mit Bildern breit durchsetzte Sprache macht das Buch zum Genuß, wann und wo man es auch aufschlägt. – Und wenn man nichts wüßte vom Inhalt! Die poetische und vielseitige Schreibweise allein schon ist ein seltenes, überraschend wohltuendes Kunstwerk.

Im zweiten Teil steht das Brauchtum und die damalige, breitgefächerte Lebensart im Mittelpunkt. Glücklicherweise wird darüber aber nicht wissenschaft­lich theoretisiert, sondern in der beschriebenen Manier, an bunten Bildern lebendiger Menschen fröhlich erzählt. Wenn ich einige Titel dieses zweiten Teils vorlese, merkt man sofort, dass Ihre lebhafte Sprachgewandtheit die Lektüre quirlig und spannend macht.

Einige Titel:

Frau Schuelrads glückliche Hühner
Die löbliche Bruderschaft der Milchholer
Schlittle, schilfere und e Leffel Fischtran
Masken und andere Bälle, schmucke Leutnants und strenge Väter
Dr Osterhas, dr Gugger und mier ä Holebänz

Dies sind 5 Beispiele von 19 Titeln im zweiten Teil. Trotzdem ich nicht zu lange werden darf, lese ich, zu eurem Genuß, noch einen Doppelsatz aus dem Kapitel Samichlais z Ehre vor. Ich zitiere: „Vor dem Zubettgehen werden die Teller für die Schleickete auf dem Stubentisch parat gemacht, der „fromme” Chnebel und ein Chibili mit Salz für den Samichlaisesel werden vor die Haustüre gelegt. Dann schläft man mit einem Chriesimändel an den Füßen glücklich ein, und im Traum winkt der Samichlais – mit weiß behandschuhter Hand”. Ende Zitat. In der mir bekannten Literatur existiert wenig Erzähltes, das – im Umfeld verständlich,- und mit so viel Lebensnähe, Liebe zum Detail und ganz präziser Sprache dargestellt wird.

Das Brauchtum wird an natürlich handelnden Menschen vermittelt, aber auch wie man wohnt und sich tut, wie man nach seiner Weltanschauung lebt und sich arrangiert, was man ißt und trinkt, wo in Küche, Stube oder bei der Wallfahrt gespart werden kann, in welchen Zimmern die Demut lebt und in welchen Gewändern die Hofart daheim ist.

Die Landschaft, in die man geboren ist, kann man nicht auswählen. Wie man sich aber darin bewegt, sie sieht und was man daraus macht, ist einem fast ganz allein anheimgestellt.

Zum Schluß darf ich voll Bewunderung einfach sagen: Wer `s kann, der kann’s!

Danke!

Beppi von Matt

Die Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt antwortet

Edli Riichsfraie, tapferi Riichsritter, liebe Beppi,

dies Eloge, ai wend dui hienta dr Chelle ä chli volle gnu hesch, isch mier inegloffe wie Nidle. Ich danke dier und ich danke im UGR fir d’ Iladig. Ich bi gärä cho, denn d’ Residänz isch halt ebbis Bsun­derigs, da gspird me so gherig dr Duft der grossen weiten Welt, hie isch immer ebbis los, da wird gred, gmacht und ta, luit und churzwilig.

Im Verglich isch mis Dorf nur äs chlis Dorf. Und zu dr Chlini ane , isch äs ai nu im Leimetal, und so isch halt alles e chli lättig. Äs hed scheene Wald, scheen Matte, prächtigi Burge und Burgruine, aber edli Riichsfraie, wackeri Ritter, wo zu dene Burge passid, sind niene ume. So gids ai kei chline und kei Grosse Rat, was äs aber bi iis gid, das sind grossi Chriesi, grossi, saftigi Chriesi … Und ich glaibe, im einte oder andere vo Iich laift, wen är a die Chriesi dänkt, bimeich scho dr Speiz im Muil zäme.

Mier dankid Iich fir Iiwi Gastfrindschaft, fr das recht opulenti Mählti, und ich sälber danke mit Träne i de Auge fir de prächtig Orde. Dä Orde isch fir ä Frai i mim Alter i jeder Beziehig ä gherigi Wohltat… Är isch zwar e chli schwäre, aber under mim Hofstaat heds zum Glick währschafti Manne, wo nid so verhungered uisgsend, als dass sie dä Orde nid mechdid gferge . .

Bi mier dr heime chund är de ä Ehreplatz uber, und jedesmal, wen ich de das megig, blutt Biebli ahlue­ge, chan ich de we dr Dr. Robi selig säge „Honi soit qui mal y pense, kommt er doch vom frommen Stans . .” „Äs isch vil Lob und Ehr wo me da uber mich uisschittet, und me chent derbie schier e chli ä Meinig ubercho . . .”  Und will me weiss, dass ai imene alte Huehn nu cha dr Kamme afe wachse, han ich dänkt, ich lege gschider ä Huet a, me gsehts de nid eso guet wen är wachst…

Äs isch äs wunderbars und herrlichs Fescht. Und ganz i dr Tradition vos Schuelrad Odermatte lend mier das Fest nid la verruische ohni das mier Iich äs Stickli vorfierid. .            Ier miend kei Angst ha, äs gid keis Gedieht, drfir gits ebbis z’lose, „wo kaum um jede Ecke zu hören ist”. Dr Urs, dr Uiruiränkel vom Sattlersepp, – krauses Haar, krauser Sinn, – spild Iich etz ebbis uf lb. Josefs legendärer Okarina.

Übergabe des Ehrenpreises an Maria Generosa Christen – Odermatt


Sehr geschätzte Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt
liebe Familie der Preisträgerin, besonders Reichssenior und alt Reichschultheiss Dr. Jörg Odermatt,
Tapfere Reichsritter
erhabene Magnifizentia
Frau Reichschultheissin Wohledele und tugendhafte Reichsfrauen
Hochwohllöbliche Fraumünsterfrauen
würdevoller und weiser  Ex Arch.in. Oberrheinischen Landen

Liebe Gäste

Ich begrüsse Euch ganz herzlich und gebe meiner grossen Freude über den überwältigenden Besuch der heutigen Laetare-Feier Ausdruck. In meiner Doppelfunktion als Reichsschultheiss und Mitglied des Stiftungsrates Ehrenpreis fällt mir jetzt die hohe Ehre zu, die Preis­verleihung vorzunehmen. Es ist mir unvergesslich, wie ich als Bub immer eine besondere Freude hatte, im Radio Beromünster Marie Odermatt-Lussi’s warme, gemütvolle Stimme, im unver­wechselbaren heimeligen Nidwaldner Dialekt, zu hören. Ihre herrli­chen „Gschichtli” und Erzählungen sind in mir bis heute lebendig geblieben
Und jetzt – wer hätte das je gedacht – darf ich ihrer berühmten Tochter Maria Generosa, oder einfacher, Stanserisch augedrückt: „iises Meisi”, ehren. Bei der Lektüre des Buches „Mier ä Holebänz” (ich habe es mit Begeisterung in einem Zug durchgelesen) ist mir der Witz, der Humor und die heitere Ironie aufgefallen, die das ganze Buch prägen.

Ich zitiere aus einer Stelle, wo die Familie einmal mehr gezügelt hatte. Margrit Wyrsch, die Schwester von alt Reichschultheiss Prof. Dr, Jakob Wyrsch gab in einer Soiree des unüberwindlichen Grossen Rates das Bonmot ihres Lebens zum besten: „S’ Seppel Odermatten schauen jedes Jahr zu einem andem Fenster uisen….”

In diesem Zusammenhang ist mir als Architekt aufgefallen, mit wieviel
Einfühlungs- und Darstellungsvermögen die Preisträgerin es verstanden hat, die wechselnden Wohnstätten ihrer Familie zu beschreiben. Das „Ämmättli” von Schuelrads zum Beispiel kann man doch so richtig empfinden, wie wenn man selbst dort gelebt hätte. Die schöne grosse Stube mit dem eleganten Buffet samt Giessfassteil, der wärmespen­dende grüne Kachelofen; ein Raum der gewiss heimelige Geborgenheit ausgestrahlt haben muss. Oder der Garten mit dem Kiesplatz, wo unter einem weitausladenden Kastanienbaum ehrwürdige, wacklige Gartenstühle standen, und wo Frau Schuelrads glückliche Hühner herumspaziert sind.

Die sogenannte Alltagsgeschichte hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zur „normalen Geschichte”, wo vergangene Epochen von Wissenschaftern aufgearbeitet und interpretiert werden, was ja immer einwenig „Dichtung und Wahrheit” ist, geht es bei der Alltagsgeschichte um präzise Beobachtung und Dokumentation ganz alltäglicher, scheinbar belangloser Dinge, Zustände und Verhaltensweisen. Frau Christens Erinnerungsbuch ist ein sehr wertvoller Beitrag zur Alltagsgeschichte von Stans und Nidwalden. Dazu gratuliere ich der Preisträgerin ganz herzlich, besonders auch als Präsident der Kommission für Kultur und Denkmalpflege unseres Kantons.

Sie haben damit die höchste Ehrung verdient, die einem Literaten zuteil werden kann. Nicht etwa einen unbedeutenden Schillerpreis, einen banalen Hans Reinhardt-Ring oder einen kaum erwähnenswerten Nobelpreis für Literatur, nein, den unvergleichlichen, unermesslichen und nur wenigen Auserwählten zugestanden

Ehrenpreis des Unüberwindlichen Grossen Rates.

Ich bitte Sie, zu mir zu kommen, um in den Kreis der Unsterblichen einzutreten !

Gegeben in der Reichshauptstadt am 13. März 1999

HANS REINHARD, REICHSSCHULTHEISS

 



Beppi von Matts humorvolle Laudatio ehrte treffend die Autorin und ihr Werk.



Die Autorin und ihr Bruder, der “famose Jörg” aus dem Holebänz.



Die Autorin verdankt den Ehrenpreis.

Die Buchvernissage war am 5. November 1998 bei Bücher von Matt Stans. Leider konnte die Autorin nicht persönlich anwesend sein. Die obige Aufnahme von ihr stammt von einer Lesung, die am 12. März 1999, ebenfalls bei Bücher von Matt Stans, stattgefunden hat.

Im Bericht über diese Lesung heisst es: “Dabei erzählt die Autorin kurzweilig und in einer Sprache, die gespickt ist mit Mundartausdrücken, aber auch Begriffe wie “Macho” oder “Stanser Jet-Set” einschliesst. Und sie beschreibt das Leben oft aus der Sicht der Frauen, stellt starke Frauen vor und scheut sich nicht, ihre Ansicht kundzutun über etwas zu selbstherrliche Männer der damaligen Zeit.”

Laudatio

Maria Generosa Christen-Odermatt und ihr Buch

Mier ä Holebänz !

Dieser kindliche Jauchzer galt dem Kräpfli, das damals ein höchst begehrenswerter Leckerbissen war, weil man es hier nicht bekommt und der Brotteig leicht gesüßt ist. Wenn der Landamman inmitten der Wallfah­rer, in der Gnadenkapelle in Einsiedeln voll konzentrier­ter Frömmigkeit, für das Wohl seines Kantons Nidwal­den erfolgversprechend gebetet hatte und am Spät­nachmittag mit der grünen Stansstad-Engelbergbahn auf dem Stanser-Bahnhof einfuhr, schrien die Kinder: „Mier ä Holebänz” und bekamen ihn zugeworfen. Sie waren freudig erregt, die Mütter wohlig echauffiert und der Landammann hatte etwas für seine nächste Wahl getan. Im Land herrschte ein Glücksgefühl. Und wir wissen jetzt was es heißt: „Mier ä Holebänz” !

Seine Omnipotenz Reichsschultheiss Hans Reinhard
Seine Eminenz Reichsschatzmeister René Engelberger
Seine Excellenz und Evidenz Reichs-Cantzler, Reichsarchivar und Chronist Dr. Hansjakob Achermann
Seine Durchlaucht Pannerherr Roland Wyrsch
Edle und tapfere Reichsritter
Ihre Magnificentia Reichsschultheissin Jolanda Reinhard
Wohledle und wunderhübsche Reichsfrauen

Geehrte Gäste

und mit ebensoviel Ehrfurcht darf ich voll Begeisterung sagen:

Verehrte Autorin Frau Maria Generosa Christen­Odermatt, Geni, Rosli, Maria, Meisi
deren Grosssohn Urs Beutler
regissierenden und schaupielenden Tochter Regina mit ihrem dazugeknöpften, einfühlsamen Herausgeber, Rechtschreiber und PR-Buchgestalter Alexander Schwab.

Geneigte Zuhörer !

Nun habe ich das Vergnügen, vor Euch, dieser erlauchten Schar besonders wacher und aufmerksamer Zuhörer, von einem Buch zu sprechen, das ich voll Begeisterung und in großer Euphorie in einem Zug gelesen habe. Seither nehme ich es immer wieder in die Hand um teils wahllos, oft aber auch gezielt bestimmte Stellen heraus zu suchen. Das ist ein exquisites Vergnügen. Nicht nur das bunt dargestellte Thema interessiert mich. Gar oft lechze ich auch danach, mich an der lustvoll­hingestreuten Sprache zu ergötzen. Die Autorin zeichnet exakte, farbenfrohe Bilder vor das geistige Auge. Die Darstellungen sind so präzise, dass sie in ihrer Treffsicherheit an den berühmten Basler Maler und Plakatge­stalter Niklaus Stoecklin erinnern.

Auf dem Schutzumschlag des Buches sieht man ein Schulermädchen in griechisch-klassischer Haltung. Mit dem linken Standbein steht sie fest auf der Erde. Das rechte Spielbein ist leicht angewinkelt, gleich wie der Arm. Das Gesicht blickt gerade aus. Die Augen sehen zum Betrachter hin, ohne jeden Selbstzweifel und fal­sche Zurückhaltung. Die Graphikerin ist dem Buch und seiner Autorin mit der vielgepriesenen weiblichen Intui­tion nahe gekommen.

Versuchen wir das jugendliche Umfeld der Autorin zu verstehen. – Ihr Vater „Seppel Odermatt” war der weitberühmte Antiquar der Buchhandlung von Matt, der ohne zu zögern, inmitten von über hunderttausend Bü­chern, sagen konnte: „Ja dieses Buch hatten wir 1923 einmal an Lager, aber nur in der zweiten Auflage, die dritte wäre die bessere gewesen, weil sie sorgsam überarbeitet war.” (Diesen Satz habe ich 1951 selber erlebt.) Der Vater der Autorin war kein Luftibus, denn er trat mit 18 Jahren ins Antiquariat ein und hat es erst mit 91 wieder verlassen. Ihre Mutter haben die meisten von Euch als Radioerzählerin, als Sageninterpretin und als politisch emotionelle und sehr engagierte Dame im Dorf Stans, gewiß noch erlebt. Marie Odermatt-Lussi, also M O L, die ich sehr verehrte, habe ich gerne so genannt, weil sie „Mol” hieß und so unerhört „ Dur” lebte. Der ältere Bruder, der Autorin, unser Senior des Unüber­windlichen Großen Rates, alt Schultheiss Dr. Jörg Odermatt, ist nicht nur ein großer Hubertusjünger, sondern auch ein Ur-Fasnächtler und hat mit ansteckender Begeisterung die Guggenmusik in Stans gegründet. Die ältere Schwester Elsbeth hatte, (wie ich im Buch las), daheim „das Sagen”, heiratete den Kantonsingenieur Häusermann und zog mit ihm nach Samedan, wo sie heute lebt.

Die Autorin wuchs in Stans der zwanziger und dreißiger Jahre auf und beobachtete Ihre Umgebung stets mit wachen und aufmerksamen Augen. Wie ich aus Fotos von Leonard von Matt in der hellblauen Illustrierten „Sie und Er” weiß, war sie ein wunderschönes Mädchen und wurde von Ihrer Mutter gerne, nicht ganz zur eigenen Freude, angehalten im unüberwindlichen Großen Rat muntere Gedichte aufzusagen. Wenn ich heute im Dorf von diesem Buch erzähle, nehmen die meisten hin, dass neben dem hiesigen Namen Christen auch der Name Odermatt steht. Wenn ich aber sage: “Du hast doch gewiß das Meisi gekannt”, dann leuchten die Augen auf, und Erinnerungen von damals sprudeln ins Gespräch. Meisi ist jener Begriff, der an das glatte, aufgestellte, sehr selbständig denkende Meitschi erinnert, mit der man, je nach Notwendigkeit, hätte Pferde stehlen können. Dann kam jener ruhige, alles wohlüberlegende, liebenswürdige Oltener Peter Christen, der das originelle und spontan-reagierende Mädchen in die Arme nahm und 1945 nach Basel entführte. Sie lebten in einem eleganten Haus, hoch über dem Rhein. Als ihre beiden Töchter Christine und Regina von daheim wegzogen begann Frau Generosa zu malen und hatte mit ihren Bildern, denen sie auf der Rückseite stets einen originellen Text beigab, auch an Ausstellungen, großen Erfolg. Später zogen sie in ein Dorf im Jura. Als ihr Mann Peter krank wurde, begann sie zu schreiben, ohne an eine Veröffentlichung zu denken.

Nun zum Buch

Maria Generosa Christen erzählt im ersten Teil ihres Buches von Familien und deren Umgebung, die Ende des letzten und zu Beginn des zwanzigsten Jahr­hunderts unser Dorf zwischen Schmiedgasse, Kniri und Niederdorf bevölkerten. Dass auch ein Löwenjäger in Afrika und ein Schlittschuhkönig in Lake Placid eine glitzernde Rolle spielen, sei nur ergänzend erwähnt.

Gewiß, man muß sich etwas hineinlesen, bis man alle Josefs und Marie’s auseinander halten kann. Damals hießen die angehenden Machos halt noch nicht Kevin oder Jascha und die aufblühenden Töchterlein Afra oder Esperanza, trotzdem die Mütter samt Klosterfrauen, schon damals gerne die Hoffnung hegten, dass diese Töchterlein zur rechten Zeit und vom richtigen Objekt ihrer Wünsche in die Hoffnung kommen sollten.

Es sind nicht nur die bestimmten Personen, die das Buch so wertvoll machen, sondern die Allgemeingültig­keit, die hinter dem Beschriebenen steht. Die Späße und Kümmernisse, die Liebessehnsüchte und der Weltschmerz gehören zum Leben und zu jener Zeit. Das Wohlmeinen und die Mißgunst, das Verstehen und die Klatschsucht, das Neinsagen und die tröstende Mutter sind klassische Gestalten. Die Ausdruckskraft der Sprache und die Lebendigkeit der Geschichte heben das Buch aus der Vielfalt der heutigen literarischen Neuerscheinungen heraus.

Die bunten Ausdrucksweisen, die fremdländischen Pointen und jene Bezeichnungen, die teilweise vom Dialekt jener Zeit herkommen, machen die Sprachbilder farbenfroh und originell. Viele dieser Ausdrücke, wie zum Beispiel „rederle”, sind nur im Zusammenhang be­greifbar. Ein Lesezeichen als Beiblatt im Buch mit der Übersetzung besonderer Spezialwörter würde jüngeren Leuten das Verstehen erleichtern. Die Autorin entfernte sich nach dem Krieg aus unserer Gegend und hat, wie Auswanderer, ihre einstige Sprache bewahrt. Ihr sind viele Wortkombinationen, die leider verschwunden sind, noch ganz selbstverständlich. Die eingestreuten Fotos sind wertvoll, weil sie die dargestellte Zeit in Kleidern, Gesichtsausdruck und Arrangement der Figuren besonders charakterisieren. Man genierte sich damals nicht „sich hinzustellen”, der Gele­genheit entsprechend ein besonderes Kleid oder einen wirkungsvollen Hut anzuziehen und ein würdiges Ge­sicht zu schneiden. Wenn ich vorhin sagte, dass ich mich öfters, auch wegen der griffigen Sprache zu diesem prächtigen Buch hinwende, dann möchte ich Euch ein kleines Muster vortragen:  Ich zitiere: „Ab und zu kommt Philomenas Schwester Adel­heid auf Visite in die Schmiedgasse. Sie hat ein immenses „Savoir vivre” und verdient ihre Brötchen als Erzieherin bei den „Geborenen” in Luzern, bei denjenigen, die nicht reich, aber schrecklich vornehm sind… Der Volksmund nennt sie „Zuckerwassergesellschaft”, weil sie bei ihren Treffs sich mit eben wohlfeilem Zuckerwasser regalieren”.

„Auf Visite”, „immenses Savoir vivre”, „Brötchen verdienen”, und die „Geborenen”, „regalieren” braucht kaum Erklärung, zeigt aber wie die Sprache genau auf den Punkt gebracht exakt zeichnet. Oder ein Beispiel zum Junggesellen Seppel Odermatt und Kumpanen: Zitat: „Zusammen mit seinen Freunden, hat er gerne die Nase im Wind. Sie sind im Männerchor dabei, im Kirchenchor, bei der Theatergesellschaft, im Volksverein. Eine tolle Bande sind sie, fröhlich, trinkfest und meistens mit dem nötigen Kleingeld versehen. Die Jeunesse dorée des Dorfes”.   Zitat Ende.

Wir Unbegabten hätten vielleicht geschrieben: Sie waren eine fröhliche Gesellschaft und in den üblichen Vereinen. – Sie zählt diese namentlich auf und schreibt: „Eine tolle Bande sind sie, fröhlich und trinkfest”. Sie schreibt nicht, sie waren unternehmungslustig und dem Neuen zugetan, sie sagt „Sie hatten die Nase im Wind” und setzt den i- Punkt noch drauf. Die „Jeunesse dorée des Dorfes”. Darf ich noch ein weiteres kurzes Beispiel an Farbigkeit anführen. Hier geht es um die eigene Familie der Autorin. Zitat: „Während Elsbeth sich zur exzellenten Pianistin mausert, Marie (die Mutter) als Sängerin Erfolg und einen Namen hat, gehört lb. Josef mit seinem dunklen Baß schon lange zur Crème im Männerchor. Daneben spielt er, wenn er gerade guter Laune ist, wie ein Pan auf der Okarina, einer Schnabelflöte, die kaum um jede Ecke zu hören ist”. Zitat Ende.

Von Elsbeth schreibt sie: „Zur exzellenten Pianistin gemausert”, Marie „hat einen Namen” und „lb. Josef, der zur Crème gehört charakterisiert sie: „Wenn er gerade guter Laune ist”. Wir beachten, er zeigte die gute Laune scheinbar nicht zu freigebig. Es heißt nicht, er spielte sehr gut, nein, es heißt, um den Eindruck noch zu überhöhen: „wie ein Pan”. Die Schnabelflöte ist bei ihr nicht etwa selten, sondern „kaum um jede Ecke zu hören”.

Solche Beispiele finden sich auf jeder Seite zuhauf. Man muß sie nicht suchen, sie fallen einem wie leuchtende Sternschnuppen zu. Diese ausdruckstarke, mit Bildern breit durchsetzte Sprache macht das Buch zum Genuß, wann und wo man es auch aufschlägt. – Und wenn man nichts wüßte vom Inhalt! Die poetische und vielseitige Schreibweise allein schon ist ein seltenes, überraschend wohltuendes Kunstwerk.

Im zweiten Teil steht das Brauchtum und die damalige, breitgefächerte Lebensart im Mittelpunkt. Glücklicherweise wird darüber aber nicht wissenschaft­lich theoretisiert, sondern in der beschriebenen Manier, an bunten Bildern lebendiger Menschen fröhlich erzählt. Wenn ich einige Titel dieses zweiten Teils vorlese, merkt man sofort, dass Ihre lebhafte Sprachgewandtheit die Lektüre quirlig und spannend macht.

Einige Titel:

Frau Schuelrads glückliche Hühner
Die löbliche Bruderschaft der Milchholer
Schlittle, schilfere und e Leffel Fischtran
Masken und andere Bälle, schmucke Leutnants und strenge Väter
Dr Osterhas, dr Gugger und mier ä Holebänz

Dies sind 5 Beispiele von 19 Titeln im zweiten Teil. Trotzdem ich nicht zu lange werden darf, lese ich, zu eurem Genuß, noch einen Doppelsatz aus dem Kapitel Samichlais z Ehre vor. Ich zitiere: „Vor dem Zubettgehen werden die Teller für die Schleickete auf dem Stubentisch parat gemacht, der „fromme” Chnebel und ein Chibili mit Salz für den Samichlaisesel werden vor die Haustüre gelegt. Dann schläft man mit einem Chriesimändel an den Füßen glücklich ein, und im Traum winkt der Samichlais – mit weiß behandschuhter Hand”. Ende Zitat. In der mir bekannten Literatur existiert wenig Erzähltes, das – im Umfeld verständlich,- und mit so viel Lebensnähe, Liebe zum Detail und ganz präziser Sprache dargestellt wird.

Das Brauchtum wird an natürlich handelnden Menschen vermittelt, aber auch wie man wohnt und sich tut, wie man nach seiner Weltanschauung lebt und sich arrangiert, was man ißt und trinkt, wo in Küche, Stube oder bei der Wallfahrt gespart werden kann, in welchen Zimmern die Demut lebt und in welchen Gewändern die Hofart daheim ist.

Die Landschaft, in die man geboren ist, kann man nicht auswählen. Wie man sich aber darin bewegt, sie sieht und was man daraus macht, ist einem fast ganz allein anheimgestellt.

Zum Schluß darf ich voll Bewunderung einfach sagen: Wer `s kann, der kann’s!

Danke!

Beppi von Matt

Die Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt antwortet

Edli Riichsfraie, tapferi Riichsritter, liebe Beppi,

dies Eloge, ai wend dui hienta dr Chelle ä chli volle gnu hesch, isch mier inegloffe wie Nidle. Ich danke dier und ich danke im UGR fir d’ Iladig. Ich bi gärä cho, denn d’ Residänz isch halt ebbis Bsun­derigs, da gspird me so gherig dr Duft der grossen weiten Welt, hie isch immer ebbis los, da wird gred, gmacht und ta, luit und churzwilig.

Im Verglich isch mis Dorf nur äs chlis Dorf. Und zu dr Chlini ane , isch äs ai nu im Leimetal, und so isch halt alles e chli lättig. Äs hed scheene Wald, scheen Matte, prächtigi Burge und Burgruine, aber edli Riichsfraie, wackeri Ritter, wo zu dene Burge passid, sind niene ume. So gids ai kei chline und kei Grosse Rat, was äs aber bi iis gid, das sind grossi Chriesi, grossi, saftigi Chriesi … Und ich glaibe, im einte oder andere vo Iich laift, wen är a die Chriesi dänkt, bimeich scho dr Speiz im Muil zäme.

Mier dankid Iich fir Iiwi Gastfrindschaft, fr das recht opulenti Mählti, und ich sälber danke mit Träne i de Auge fir de prächtig Orde. Dä Orde isch fir ä Frai i mim Alter i jeder Beziehig ä gherigi Wohltat… Är isch zwar e chli schwäre, aber under mim Hofstaat heds zum Glick währschafti Manne, wo nid so verhungered uisgsend, als dass sie dä Orde nid mechdid gferge . .

Bi mier dr heime chund är de ä Ehreplatz uber, und jedesmal, wen ich de das megig, blutt Biebli ahlue­ge, chan ich de we dr Dr. Robi selig säge „Honi soit qui mal y pense, kommt er doch vom frommen Stans . .” „Äs isch vil Lob und Ehr wo me da uber mich uisschittet, und me chent derbie schier e chli ä Meinig ubercho . . .”  Und will me weiss, dass ai imene alte Huehn nu cha dr Kamme afe wachse, han ich dänkt, ich lege gschider ä Huet a, me gsehts de nid eso guet wen är wachst…

Äs isch äs wunderbars und herrlichs Fescht. Und ganz i dr Tradition vos Schuelrad Odermatte lend mier das Fest nid la verruische ohni das mier Iich äs Stickli vorfierid. .            Ier miend kei Angst ha, äs gid keis Gedieht, drfir gits ebbis z’lose, „wo kaum um jede Ecke zu hören ist”. Dr Urs, dr Uiruiränkel vom Sattlersepp, – krauses Haar, krauser Sinn, – spild Iich etz ebbis uf lb. Josefs legendärer Okarina.

Übergabe des Ehrenpreises an Maria Generosa Christen – Odermatt


Sehr geschätzte Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt
liebe Familie der Preisträgerin, besonders Reichssenior und alt Reichschultheiss Dr. Jörg Odermatt,
Tapfere Reichsritter
erhabene Magnifizentia
Frau Reichschultheissin Wohledele und tugendhafte Reichsfrauen
Hochwohllöbliche Fraumünsterfrauen
würdevoller und weiser  Ex Arch.in. Oberrheinischen Landen

Liebe Gäste

Ich begrüsse Euch ganz herzlich und gebe meiner grossen Freude über den überwältigenden Besuch der heutigen Laetare-Feier Ausdruck. In meiner Doppelfunktion als Reichsschultheiss und Mitglied des Stiftungsrates Ehrenpreis fällt mir jetzt die hohe Ehre zu, die Preis­verleihung vorzunehmen. Es ist mir unvergesslich, wie ich als Bub immer eine besondere Freude hatte, im Radio Beromünster Marie Odermatt-Lussi’s warme, gemütvolle Stimme, im unver­wechselbaren heimeligen Nidwaldner Dialekt, zu hören. Ihre herrli­chen „Gschichtli” und Erzählungen sind in mir bis heute lebendig geblieben
Und jetzt – wer hätte das je gedacht – darf ich ihrer berühmten Tochter Maria Generosa, oder einfacher, Stanserisch augedrückt: „iises Meisi”, ehren. Bei der Lektüre des Buches „Mier ä Holebänz” (ich habe es mit Begeisterung in einem Zug durchgelesen) ist mir der Witz, der Humor und die heitere Ironie aufgefallen, die das ganze Buch prägen.

Ich zitiere aus einer Stelle, wo die Familie einmal mehr gezügelt hatte. Margrit Wyrsch, die Schwester von alt Reichschultheiss Prof. Dr, Jakob Wyrsch gab in einer Soiree des unüberwindlichen Grossen Rates das Bonmot ihres Lebens zum besten: „S’ Seppel Odermatten schauen jedes Jahr zu einem andem Fenster uisen….”

In diesem Zusammenhang ist mir als Architekt aufgefallen, mit wieviel
Einfühlungs- und Darstellungsvermögen die Preisträgerin es verstanden hat, die wechselnden Wohnstätten ihrer Familie zu beschreiben. Das „Ämmättli” von Schuelrads zum Beispiel kann man doch so richtig empfinden, wie wenn man selbst dort gelebt hätte. Die schöne grosse Stube mit dem eleganten Buffet samt Giessfassteil, der wärmespen­dende grüne Kachelofen; ein Raum der gewiss heimelige Geborgenheit ausgestrahlt haben muss. Oder der Garten mit dem Kiesplatz, wo unter einem weitausladenden Kastanienbaum ehrwürdige, wacklige Gartenstühle standen, und wo Frau Schuelrads glückliche Hühner herumspaziert sind.

Die sogenannte Alltagsgeschichte hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zur „normalen Geschichte”, wo vergangene Epochen von Wissenschaftern aufgearbeitet und interpretiert werden, was ja immer einwenig „Dichtung und Wahrheit” ist, geht es bei der Alltagsgeschichte um präzise Beobachtung und Dokumentation ganz alltäglicher, scheinbar belangloser Dinge, Zustände und Verhaltensweisen. Frau Christens Erinnerungsbuch ist ein sehr wertvoller Beitrag zur Alltagsgeschichte von Stans und Nidwalden. Dazu gratuliere ich der Preisträgerin ganz herzlich, besonders auch als Präsident der Kommission für Kultur und Denkmalpflege unseres Kantons.

Sie haben damit die höchste Ehrung verdient, die einem Literaten zuteil werden kann. Nicht etwa einen unbedeutenden Schillerpreis, einen banalen Hans Reinhardt-Ring oder einen kaum erwähnenswerten Nobelpreis für Literatur, nein, den unvergleichlichen, unermesslichen und nur wenigen Auserwählten zugestanden

Ehrenpreis des Unüberwindlichen Grossen Rates.

Ich bitte Sie, zu mir zu kommen, um in den Kreis der Unsterblichen einzutreten !

Gegeben in der Reichshauptstadt am 13. März 1999

HANS REINHARD, REICHSSCHULTHEISS

 



Beppi von Matts humorvolle Laudatio ehrte treffend die Autorin und ihr Werk.



Die Autorin und ihr Bruder, der “famose Jörg” aus dem Holebänz.



Die Autorin verdankt den Ehrenpreis.

Geehrte Gäste

und mit ebensoviel Ehrfurcht darf ich voll Begeisterung sagen:

Verehrte Autorin Frau Maria Generosa Christen­Odermatt, Geni, Rosli, Maria, Meisi
deren Grosssohn Urs Beutler
regissierenden und schaupielenden Tochter Regina mit ihrem dazugeknöpften, einfühlsamen Herausgeber, Rechtschreiber und PR-Buchgestalter Alexander Schwab.

Geneigte Zuhörer !

Nun habe ich das Vergnügen, vor Euch, dieser erlauchten Schar besonders wacher und aufmerksamer Zuhörer, von einem Buch zu sprechen, das ich voll Begeisterung und in großer Euphorie in einem Zug gelesen habe. Seither nehme ich es immer wieder in die Hand um teils wahllos, oft aber auch gezielt bestimmte Stellen heraus zu suchen. Das ist ein exquisites Vergnügen. Nicht nur das bunt dargestellte Thema interessiert mich. Gar oft lechze ich auch danach, mich an der lustvoll­hingestreuten Sprache zu ergötzen. Die Autorin zeichnet exakte, farbenfrohe Bilder vor das geistige Auge. Die Darstellungen sind so präzise, dass sie in ihrer Treffsicherheit an den berühmten Basler Maler und Plakatge­stalter Niklaus Stoecklin erinnern.

Auf dem Schutzumschlag des Buches sieht man ein Schulermädchen in griechisch-klassischer Haltung. Mit dem linken Standbein steht sie fest auf der Erde. Das rechte Spielbein ist leicht angewinkelt, gleich wie der Arm. Das Gesicht blickt gerade aus. Die Augen sehen zum Betrachter hin, ohne jeden Selbstzweifel und fal­sche Zurückhaltung. Die Graphikerin ist dem Buch und seiner Autorin mit der vielgepriesenen weiblichen Intui­tion nahe gekommen.

Versuchen wir das jugendliche Umfeld der Autorin zu verstehen. – Ihr Vater „Seppel Odermatt” war der weitberühmte Antiquar der Buchhandlung von Matt, der ohne zu zögern, inmitten von über hunderttausend Bü­chern, sagen konnte: „Ja dieses Buch hatten wir 1923 einmal an Lager, aber nur in der zweiten Auflage, die dritte wäre die bessere gewesen, weil sie sorgsam überarbeitet war.” (Diesen Satz habe ich 1951 selber erlebt.) Der Vater der Autorin war kein Luftibus, denn er trat mit 18 Jahren ins Antiquariat ein und hat es erst mit 91 wieder verlassen. Ihre Mutter haben die meisten von Euch als Radioerzählerin, als Sageninterpretin und als politisch emotionelle und sehr engagierte Dame im Dorf Stans, gewiß noch erlebt. Marie Odermatt-Lussi, also M O L, die ich sehr verehrte, habe ich gerne so genannt, weil sie „Mol” hieß und so unerhört „ Dur” lebte. Der ältere Bruder, der Autorin, unser Senior des Unüber­windlichen Großen Rates, alt Schultheiss Dr. Jörg Odermatt, ist nicht nur ein großer Hubertusjünger, sondern auch ein Ur-Fasnächtler und hat mit ansteckender Begeisterung die Guggenmusik in Stans gegründet. Die ältere Schwester Elsbeth hatte, (wie ich im Buch las), daheim „das Sagen”, heiratete den Kantonsingenieur Häusermann und zog mit ihm nach Samedan, wo sie heute lebt.

Die Autorin wuchs in Stans der zwanziger und dreißiger Jahre auf und beobachtete Ihre Umgebung stets mit wachen und aufmerksamen Augen. Wie ich aus Fotos von Leonard von Matt in der hellblauen Illustrierten „Sie und Er” weiß, war sie ein wunderschönes Mädchen und wurde von Ihrer Mutter gerne, nicht ganz zur eigenen Freude, angehalten im unüberwindlichen Großen Rat muntere Gedichte aufzusagen. Wenn ich heute im Dorf von diesem Buch erzähle, nehmen die meisten hin, dass neben dem hiesigen Namen Christen auch der Name Odermatt steht. Wenn ich aber sage: “Du hast doch gewiß das Meisi gekannt”, dann leuchten die Augen auf, und Erinnerungen von damals sprudeln ins Gespräch. Meisi ist jener Begriff, der an das glatte, aufgestellte, sehr selbständig denkende Meitschi erinnert, mit der man, je nach Notwendigkeit, hätte Pferde stehlen können. Dann kam jener ruhige, alles wohlüberlegende, liebenswürdige Oltener Peter Christen, der das originelle und spontan-reagierende Mädchen in die Arme nahm und 1945 nach Basel entführte. Sie lebten in einem eleganten Haus, hoch über dem Rhein. Als ihre beiden Töchter Christine und Regina von daheim wegzogen begann Frau Generosa zu malen und hatte mit ihren Bildern, denen sie auf der Rückseite stets einen originellen Text beigab, auch an Ausstellungen, großen Erfolg. Später zogen sie in ein Dorf im Jura. Als ihr Mann Peter krank wurde, begann sie zu schreiben, ohne an eine Veröffentlichung zu denken.

Nun zum Buch

Maria Generosa Christen erzählt im ersten Teil ihres Buches von Familien und deren Umgebung, die Ende des letzten und zu Beginn des zwanzigsten Jahr­hunderts unser Dorf zwischen Schmiedgasse, Kniri und Niederdorf bevölkerten. Dass auch ein Löwenjäger in Afrika und ein Schlittschuhkönig in Lake Placid eine glitzernde Rolle spielen, sei nur ergänzend erwähnt.

Gewiß, man muß sich etwas hineinlesen, bis man alle Josefs und Marie’s auseinander halten kann. Damals hießen die angehenden Machos halt noch nicht Kevin oder Jascha und die aufblühenden Töchterlein Afra oder Esperanza, trotzdem die Mütter samt Klosterfrauen, schon damals gerne die Hoffnung hegten, dass diese Töchterlein zur rechten Zeit und vom richtigen Objekt ihrer Wünsche in die Hoffnung kommen sollten.

Es sind nicht nur die bestimmten Personen, die das Buch so wertvoll machen, sondern die Allgemeingültig­keit, die hinter dem Beschriebenen steht. Die Späße und Kümmernisse, die Liebessehnsüchte und der Weltschmerz gehören zum Leben und zu jener Zeit. Das Wohlmeinen und die Mißgunst, das Verstehen und die Klatschsucht, das Neinsagen und die tröstende Mutter sind klassische Gestalten. Die Ausdruckskraft der Sprache und die Lebendigkeit der Geschichte heben das Buch aus der Vielfalt der heutigen literarischen Neuerscheinungen heraus.

Die bunten Ausdrucksweisen, die fremdländischen Pointen und jene Bezeichnungen, die teilweise vom Dialekt jener Zeit herkommen, machen die Sprachbilder farbenfroh und originell. Viele dieser Ausdrücke, wie zum Beispiel „rederle”, sind nur im Zusammenhang be­greifbar. Ein Lesezeichen als Beiblatt im Buch mit der Übersetzung besonderer Spezialwörter würde jüngeren Leuten das Verstehen erleichtern. Die Autorin entfernte sich nach dem Krieg aus unserer Gegend und hat, wie Auswanderer, ihre einstige Sprache bewahrt. Ihr sind viele Wortkombinationen, die leider verschwunden sind, noch ganz selbstverständlich. Die eingestreuten Fotos sind wertvoll, weil sie die dargestellte Zeit in Kleidern, Gesichtsausdruck und Arrangement der Figuren besonders charakterisieren. Man genierte sich damals nicht „sich hinzustellen”, der Gele­genheit entsprechend ein besonderes Kleid oder einen wirkungsvollen Hut anzuziehen und ein würdiges Ge­sicht zu schneiden. Wenn ich vorhin sagte, dass ich mich öfters, auch wegen der griffigen Sprache zu diesem prächtigen Buch hinwende, dann möchte ich Euch ein kleines Muster vortragen: Ich zitiere: „Ab und zu kommt Philomenas Schwester Adel­heid auf Visite in die Schmiedgasse. Sie hat ein immenses „Savoir vivre” und verdient ihre Brötchen als Erzieherin bei den „Geborenen” in Luzern, bei denjenigen, die nicht reich, aber schrecklich vornehm sind… Der Volksmund nennt sie „Zuckerwassergesellschaft”, weil sie bei ihren Treffs sich mit eben wohlfeilem Zuckerwasser regalieren”.

„Auf Visite”, „immenses Savoir vivre”, „Brötchen verdienen”, und die „Geborenen”, „regalieren” braucht kaum Erklärung, zeigt aber wie die Sprache genau auf den Punkt gebracht exakt zeichnet. Oder ein Beispiel zum Junggesellen Seppel Odermatt und Kumpanen: Zitat: „Zusammen mit seinen Freunden, hat er gerne die Nase im Wind. Sie sind im Männerchor dabei, im Kirchenchor, bei der Theatergesellschaft, im Volksverein. Eine tolle Bande sind sie, fröhlich, trinkfest und meistens mit dem nötigen Kleingeld versehen. Die Jeunesse dorée des Dorfes”. Zitat Ende.

Wir Unbegabten hätten vielleicht geschrieben: Sie waren eine fröhliche Gesellschaft und in den üblichen Vereinen. – Sie zählt diese namentlich auf und schreibt: „Eine tolle Bande sind sie, fröhlich und trinkfest”. Sie schreibt nicht, sie waren unternehmungslustig und dem Neuen zugetan, sie sagt „Sie hatten die Nase im Wind” und setzt den i- Punkt noch drauf. Die „Jeunesse dorée des Dorfes”. Darf ich noch ein weiteres kurzes Beispiel an Farbigkeit anführen. Hier geht es um die eigene Familie der Autorin. Zitat: „Während Elsbeth sich zur exzellenten Pianistin mausert, Marie (die Mutter) als Sängerin Erfolg und einen Namen hat, gehört lb. Josef mit seinem dunklen Baß schon lange zur Crème im Männerchor. Daneben spielt er, wenn er gerade guter Laune ist, wie ein Pan auf der Okarina, einer Schnabelflöte, die kaum um jede Ecke zu hören ist”. Zitat Ende.

Von Elsbeth schreibt sie: „Zur exzellenten Pianistin gemausert”, Marie „hat einen Namen” und „lb. Josef, der zur Crème gehört charakterisiert sie: „Wenn er gerade guter Laune ist”. Wir beachten, er zeigte die gute Laune scheinbar nicht zu freigebig. Es heißt nicht, er spielte sehr gut, nein, es heißt, um den Eindruck noch zu überhöhen: „wie ein Pan”. Die Schnabelflöte ist bei ihr nicht etwa selten, sondern „kaum um jede Ecke zu hören”.

Solche Beispiele finden sich auf jeder Seite zuhauf. Man muß sie nicht suchen, sie fallen einem wie leuchtende Sternschnuppen zu. Diese ausdruckstarke, mit Bildern breit durchsetzte Sprache macht das Buch zum Genuß, wann und wo man es auch aufschlägt. – Und wenn man nichts wüßte vom Inhalt! Die poetische und vielseitige Schreibweise allein schon ist ein seltenes, überraschend wohltuendes Kunstwerk.

Im zweiten Teil steht das Brauchtum und die damalige, breitgefächerte Lebensart im Mittelpunkt. Glücklicherweise wird darüber aber nicht wissenschaft­lich theoretisiert, sondern in der beschriebenen Manier, an bunten Bildern lebendiger Menschen fröhlich erzählt. Wenn ich einige Titel dieses zweiten Teils vorlese, merkt man sofort, dass Ihre lebhafte Sprachgewandtheit die Lektüre quirlig und spannend macht.

Einige Titel:

Frau Schuelrads glückliche Hühner
Die löbliche Bruderschaft der Milchholer
Schlittle, schilfere und e Leffel Fischtran
Masken und andere Bälle, schmucke Leutnants und strenge Väter
Dr Osterhas, dr Gugger und mier ä Holebänz

Dies sind 5 Beispiele von 19 Titeln im zweiten Teil. Trotzdem ich nicht zu lange werden darf, lese ich, zu eurem Genuß, noch einen Doppelsatz aus dem Kapitel Samichlais z Ehre vor. Ich zitiere: „Vor dem Zubettgehen werden die Teller für die Schleickete auf dem Stubentisch parat gemacht, der „fromme” Chnebel und ein Chibili mit Salz für den Samichlaisesel werden vor die Haustüre gelegt. Dann schläft man mit einem Chriesimändel an den Füßen glücklich ein, und im Traum winkt der Samichlais – mit weiß behandschuhter Hand”. Ende Zitat. In der mir bekannten Literatur existiert wenig Erzähltes, das – im Umfeld verständlich,- und mit so viel Lebensnähe, Liebe zum Detail und ganz präziser Sprache dargestellt wird.

Das Brauchtum wird an natürlich handelnden Menschen vermittelt, aber auch wie man wohnt und sich tut, wie man nach seiner Weltanschauung lebt und sich arrangiert, was man ißt und trinkt, wo in Küche, Stube oder bei der Wallfahrt gespart werden kann, in welchen Zimmern die Demut lebt und in welchen Gewändern die Hofart daheim ist.

Die Landschaft, in die man geboren ist, kann man nicht auswählen. Wie man sich aber darin bewegt, sie sieht und was man daraus macht, ist einem fast ganz allein anheimgestellt.

Zum Schluß darf ich voll Bewunderung einfach sagen: Wer `s kann, der kann’s!

Danke!

Beppi von Matt

Die Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt antwortet

Edli Riichsfraie, tapferi Riichsritter, liebe Beppi,

dies Eloge, ai wend dui hienta dr Chelle ä chli volle gnu hesch, isch mier inegloffe wie Nidle. Ich danke dier und ich danke im UGR fir d’ Iladig. Ich bi gärä cho, denn d’ Residänz isch halt ebbis Bsun­derigs, da gspird me so gherig dr Duft der grossen weiten Welt, hie isch immer ebbis los, da wird gred, gmacht und ta, luit und churzwilig.

Im Verglich isch mis Dorf nur äs chlis Dorf. Und zu dr Chlini ane , isch äs ai nu im Leimetal, und so isch halt alles e chli lättig. Äs hed scheene Wald, scheen Matte, prächtigi Burge und Burgruine, aber edli Riichsfraie, wackeri Ritter, wo zu dene Burge passid, sind niene ume. So gids ai kei chline und kei Grosse Rat, was äs aber bi iis gid, das sind grossi Chriesi, grossi, saftigi Chriesi … Und ich glaibe, im einte oder andere vo Iich laift, wen är a die Chriesi dänkt, bimeich scho dr Speiz im Muil zäme.

Mier dankid Iich fir Iiwi Gastfrindschaft, fr das recht opulenti Mählti, und ich sälber danke mit Träne i de Auge fir de prächtig Orde. Dä Orde isch fir ä Frai i mim Alter i jeder Beziehig ä gherigi Wohltat… Är isch zwar e chli schwäre, aber under mim Hofstaat heds zum Glick währschafti Manne, wo nid so verhungered uisgsend, als dass sie dä Orde nid mechdid gferge . .

Bi mier dr heime chund är de ä Ehreplatz uber, und jedesmal, wen ich de das megig, blutt Biebli ahlue­ge, chan ich de we dr Dr. Robi selig säge „Honi soit qui mal y pense, kommt er doch vom frommen Stans . .” „Äs isch vil Lob und Ehr wo me da uber mich uisschittet, und me chent derbie schier e chli ä Meinig ubercho . . .”  Und will me weiss, dass ai imene alte Huehn nu cha dr Kamme afe wachse, han ich dänkt, ich lege gschider ä Huet a, me gsehts de nid eso guet wen är wachst…

Äs isch äs wunderbars und herrlichs Fescht. Und ganz i dr Tradition vos Schuelrad Odermatte lend mier das Fest nid la verruische ohni das mier Iich äs Stickli vorfierid. .            Ier miend kei Angst ha, äs gid keis Gedieht, drfir gits ebbis z’lose, „wo kaum um jede Ecke zu hören ist”. Dr Urs, dr Uiruiränkel vom Sattlersepp, – krauses Haar, krauser Sinn, – spild Iich etz ebbis uf lb. Josefs legendärer Okarina.

Übergabe des Ehrenpreises an Maria Generosa Christen – Odermatt


Sehr geschätzte Preisträgerin Maria Generosa Christen-Odermatt
liebe Familie der Preisträgerin, besonders Reichssenior und alt Reichschultheiss Dr. Jörg Odermatt,
Tapfere Reichsritter
erhabene Magnifizentia
Frau Reichschultheissin Wohledele und tugendhafte Reichsfrauen
Hochwohllöbliche Fraumünsterfrauen
würdevoller und weiser  Ex Arch.in. Oberrheinischen Landen

Liebe Gäste

Ich begrüsse Euch ganz herzlich und gebe meiner grossen Freude über den überwältigenden Besuch der heutigen Laetare-Feier Ausdruck. In meiner Doppelfunktion als Reichsschultheiss und Mitglied des Stiftungsrates Ehrenpreis fällt mir jetzt die hohe Ehre zu, die Preis­verleihung vorzunehmen. Es ist mir unvergesslich, wie ich als Bub immer eine besondere Freude hatte, im Radio Beromünster Marie Odermatt-Lussi’s warme, gemütvolle Stimme, im unver­wechselbaren heimeligen Nidwaldner Dialekt, zu hören. Ihre herrli­chen „Gschichtli” und Erzählungen sind in mir bis heute lebendig geblieben
Und jetzt – wer hätte das je gedacht – darf ich ihrer berühmten Tochter Maria Generosa, oder einfacher, Stanserisch augedrückt: „iises Meisi”, ehren. Bei der Lektüre des Buches „Mier ä Holebänz” (ich habe es mit Begeisterung in einem Zug durchgelesen) ist mir der Witz, der Humor und die heitere Ironie aufgefallen, die das ganze Buch prägen.

Ich zitiere aus einer Stelle, wo die Familie einmal mehr gezügelt hatte. Margrit Wyrsch, die Schwester von alt Reichschultheiss Prof. Dr, Jakob Wyrsch gab in einer Soiree des unüberwindlichen Grossen Rates das Bonmot ihres Lebens zum besten: „S’ Seppel Odermatten schauen jedes Jahr zu einem andem Fenster uisen….”

In diesem Zusammenhang ist mir als Architekt aufgefallen, mit wieviel
Einfühlungs- und Darstellungsvermögen die Preisträgerin es verstanden hat, die wechselnden Wohnstätten ihrer Familie zu beschreiben. Das „Ämmättli” von Schuelrads zum Beispiel kann man doch so richtig empfinden, wie wenn man selbst dort gelebt hätte. Die schöne grosse Stube mit dem eleganten Buffet samt Giessfassteil, der wärmespen­dende grüne Kachelofen; ein Raum der gewiss heimelige Geborgenheit ausgestrahlt haben muss. Oder der Garten mit dem Kiesplatz, wo unter einem weitausladenden Kastanienbaum ehrwürdige, wacklige Gartenstühle standen, und wo Frau Schuelrads glückliche Hühner herumspaziert sind.

Die sogenannte Alltagsgeschichte hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zur „normalen Geschichte”, wo vergangene Epochen von Wissenschaftern aufgearbeitet und interpretiert werden, was ja immer einwenig „Dichtung und Wahrheit” ist, geht es bei der Alltagsgeschichte um präzise Beobachtung und Dokumentation ganz alltäglicher, scheinbar belangloser Dinge, Zustände und Verhaltensweisen. Frau Christens Erinnerungsbuch ist ein sehr wertvoller Beitrag zur Alltagsgeschichte von Stans und Nidwalden. Dazu gratuliere ich der Preisträgerin ganz herzlich, besonders auch als Präsident der Kommission für Kultur und Denkmalpflege unseres Kantons.

Sie haben damit die höchste Ehrung verdient, die einem Literaten zuteil werden kann. Nicht etwa einen unbedeutenden Schillerpreis, einen banalen Hans Reinhardt-Ring oder einen kaum erwähnenswerten Nobelpreis für Literatur, nein, den unvergleichlichen, unermesslichen und nur wenigen Auserwählten zugestanden

Ehrenpreis des Unüberwindlichen Grossen Rates.

Ich bitte Sie, zu mir zu kommen, um in den Kreis der Unsterblichen einzutreten !

Gegeben in der Reichshauptstadt am 13. März 1999

HANS REINHARD, REICHSSCHULTHEISS

Beppi von Matts humorvolle Laudatio ehrte treffend die Autorin und ihr Werk.

Die Autorin und ihr Bruder, der “famose Jörg” aus dem Holebänz.

Die Autorin verdankt den Ehrenpreis.